In den Fünfzigerjahren kannte und praktizierte man „Schiebewurst“. Eine Scheibe Pressack oder Schwartenmagen für drei Brote. Man schob die Scheibe mit den Zähnen von der ersten Schnitte auf die zweite, später auf die dritte, und erst dann biss man hinein. – Ganz ähnlich ging es uns in der Redaktion mit dem Thema „Macht“. Kritik an der Ausübung von Macht fällt leichter, wenn dies in fernen Ländern oder zumindest in fremden Lebensbereichen geschieht. Richtet man die Kritik aber ins eigene soziale Umfeld, hält die deutschen Sprache das schöne Wort „Nestbeschmutzer“ bereit. In der Begegnung mit Macht werden die Grenzen des eigenen Muts deutlich, und nach dem Einlenken gegenüber der Macht rät einem die Scham, nun doch lieber den Mund zu halten.
Gleichzeitig meldet sich aber der Widerstand, irgendwo im Gewissen, wo die Werte wohnen. Das Gedankenkarussell dreht sich. Wo hört legitimer Gebrauch der Macht auf, wo fängt Machtmissbrauch an? Ermutigt hat uns der kürzlich erschienene Essay „Der Elefant im Zimmer. Über Machtmissbrauch und Widerstand“ der Starnberger Schriftstellerin Petra Morsbach. Sie war so nett, uns ihre Gedanken über die Entstehung und Wirkungen dieses Essays in Form einer „Nachlese“ für den Abdruck zur Verfügung zu stellen.
Die Redaktion
Im Heft:
- Edgar Frank Traum und Trauma
- Igor Volcu In Syrakus
- Julia Behr Raum 32
- Klaus J. Wagner Whistleblower
- Juliane Reister Freundinnengespräch
- Lorenz Leitmeier Die Verwechslung
- Klaus Voß Fotografieren als Dialog
- Ernst Quester Stoiberfieber
- Fabian Müller Als der Ede damals …
- Dinah Döbrich Über Mary Beard: Frauen und Macht
- Petra Morsbach Nachlese
- Ernst Quester Über Axel Seip: Lustvolles Scheitern
- Patricia Czezior Alltag