Schlagwort-Archive: Zeitschrift für Literatur und Geschichte

Starnberger Hefte 37: untätig

Die Anregung zu unserem Thema gab uns diesmal ein kenntnisreicher Essay Roger Schöntags über das literarische Motiv der Faulheit im Wandel der Zeiten. Hier knüpfen die meisten Geschichten und Gedichte des Heftes an.

Als Motto wurde aber nicht „faul“, sondern „untätig“ gewählt, weil diese Bedeutung offener ist, offen etwa für einen Gedanken der frühen chinesischen Philosophie, der sich im Ausdruck „Wuwei“ kristallisiert. Dabei steht „Nichthandeln“ im Mittelpunkt. So heißt es im „Tao Te King“, einem Lao Tse zugeschriebenen Werk: „Beim Nichtmachen bleibt nichts ungemacht“ (Kap. 48). Über den „Berufenen“ liest man: „Er lernt das Nichtlernen. / Er wendet sich zu dem zurück, an dem die Menge vorübergeht. / Dadurch fördert er den natürlichen Lauf der Dinge / und wagt nicht zu handeln“ (Kap. 64). Oder lapidar: „Wenn wir nichts unternehmen, so wird das Volk von selber reich“ (Kap. 57; alle Zitate nach der Übersetzung von Richard Wilhelm, 1911).

Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, zur Deutung dieses rätselhaften Begriffs einen Beitrag von Hanwoo Lee zu gewinnen, eines koreanischen Kenners der chinesischen Philosophie. – Besonders danken wir auch Annette Girke, Trägerin des Kunstpreises der Stadt Starnberg 2019. Sie stellte uns drei ihrer Gemälde zur Verfügung, auf denen eine Schwimmerin am Rand des Pools eine Pause einlegt. Diese erholsame Ferienpause wünschen wir allen, die dieses Heftchen lesen.

Die Redaktion

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Starnberger Hefte 35: Schelme, Gauner, Philister und die ganz normalen Leute

»Schelme, Philister – das versteht doch niemand. Und von den ›normalen Leuten‹ sollte man nach diesem Bierzeltwahlkampf 2023 auch nicht mehr reden«, so die ersten Reaktionen auf unser aktuelles Motto.

Nun haben die Starnberger Hefte, mit dem Kulturpreis des Landkreises geehrt, einen gewissen Bildungsauftrag, und so sei angemerkt, dass Schelme nicht nur schelmisch blicken und lächeln, sondern im Mittelalter zu den verachteten und gefürchteten Gruppen am Rande der Gesellschaft gehörten. Der Henker war ein Schelm, auch der Abdecker. Die Bedeutung »Schlingel« und »Spaßvogel«, die das Wort im 18. Jahrhundert bis heute annimmt, stellt demgegenüber eine Aufwertung dar. Der »Philister« wiederum verkörpert den behäbigen Bürger, in Beruf und Familienrolle gebunden, ein Spießbürger, als »viel isst er« von den Künstlern und Studenten früherer Jahrhunderte teils verspottetet und teils auch beneidet. Die Rollen und unsere Beiträge überschneiden sich, wie fast jeder in seinem Leben mal in die Schelmen- und mal in die Spießerrolle schlüpft und sich dabei zumeist ganz normal fühlt.

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Gestiegene Kosten nötigen uns leider, den Verkaufspreis für das Einzelheft im Buchhandel nach 12 Jahren von 6 € auf 8 € zu erhöhen. Die Abonnementspreise bleiben unverändert.

Die Redaktion

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